Laut Bundesgesundheitsministerium sind in Deutschland rund 479.000 Kinder (2018) mit der Pflege von Eltern und Angehörigen konfrontiert. Das achte Sozialgesetzbuch definiert in § 7, Satz 1 und 2, genau, wer in diese Kategorie fällt: „Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.“ Natürlich variiert die individuelle Stärke der Belastung durch die jeweilige Pflegesituation von Fall zu Fall; dennoch: die Betroffenen sind allesamt schutzbedürftige Heranwachsende, junge Menschen in bedeutsamer Entwicklungsphase und zum allergrößten Teil schulpflichtig.
Schulgesetzgebung ist Ländersache
Wenn Betroffene eine Pflege(mit-)verantwortung tragen müssen oder wollen, wie geht man also mit der Schulpflicht und der gleichzeitigen Belastung durch die Pflegesituation um? Das Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen sieht zum Beispiel vor, dass die Schulleitung Schüler*innen auf Antrag der Eltern aus wichtigem Grund bis zur Dauer eines Schuljahres vom Unterricht beurlauben oder von der Teilnahme an einzelnen Unterrichts- oder Schulveranstaltungen befreien kann. Bei längerfristigen Regelungen zur Beurlaubung oder Befreiung vom Unterricht muss jedoch die Schulaufsichtsbehörde zustimmen.
Aus dem zuständigen Schulministerium heißt es aber auch, dass in diesem Zusammenhang natürlich bedacht werden muss, dass die Betroffenen Kinder und Jugendlichen ein Recht auf Bildung haben und über lokale Angebote so unterstützt werden müssen, dass sie weiterhin die Schule besuchen können. Dabei sollte die jeweils individuelle Situation des Kindes vor Ort betrachtet werden. „Zuständig für diese Fragestellungen, die die Entlastung pflegender Angehöriger betreffen, sind in erster Linie die Pflege- und Krankenkassen, an die sich die Eltern wenden können, um Maßnahmen in dieser Richtung zu beantragen.“
Schulpsychologischer Dienst berät Betroffene
Ein generelles Hilfsangebot zur Beratung für pflegende Kinder und Jugendliche in der schulischen Ausbildung stellt der schulpsychologische Dienst dar. Diesen gibt es in Nordrhein-Westfalen beispielsweise in jedem Kreis, bzw. jeder kreisfreien Stadt. Dieser unterstützt mit seinen vielfältigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten und ist für Ratsuchende und Schulen somit eine wichtige Anlaufstelle. Schulpsychologen entwickeln zum Beispiel Konzepte zur Wiedereingliederung solcher Schüler*innen, die für einen längeren Zeitraum die Schule nicht besuchen (können).
Schulische Probleme, die in Zusammenhang mit der Pflegesituation auftreten, sollten aber grundsätzlich zunächst dort beraten werden, wo sie auftreten. Betroffene können und sollten sich zunächst an ihre Klassenlehrer*innen, bzw. an die zuständige Schulleitung wenden. Außerdem stünden, so heißt es aus dem Schulministerium NRW, an den Schulen Beratungs- und Vertrauenslehrkräfte für diese Aufgabe zur Verfügung. Auch Schulsozialarbeiter*innen seien geeignete Ansprechpersonen für Kinder und Jugendliche bei Problemen, die nicht direkt mit dem Unterricht zusammenhängen.
Schulsozialarbeit fördert und öffnet Zugang zu Leistungen
Schulsozialarbeit ist eine eigenständige, im Schulalltag verankerte Institution, die verschiedene Leistungen der Jugendhilfe wie Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, erzieherischen Kinder- und Jugendschutz, sowie die Förderung der Kinder in Familien miteinander verbindet. Für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern öffnet die Schulsozialarbeit neue Zugänge zum Leistungsangebot der Jugendhilfe und erweitert deren präventive, integrative und kurative Handlungsmöglichkeiten. In Einzelfällen bieten diese spezielle Hilfen für Kinder, Jugendliche und deren Familien in Kooperation mit dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und mit anderen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Trägern an (RdErl. vom 23.01.2008 BASS 21-13 Nr.6).
Zusätzliche Hinweise
Deutschland ist föderalistisch organisiert. Die staatliche Organisationsform der Bundesrepublik ist grundgesetzlich festgelegt und verfassungsrechtlich verankert. Die dort beschriebene enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist zwar ein Kennzeichen des föderalen Systems, die Bildungspolitik ist aber Sache der Bundesländer. Sie sind Träger der Kulturhoheit und das bedeutet unterschiedliche Voraussetzungen, Rechte und Pflichten im jeweiligen Schul- und Bildungswesen.
Die gemeinsame Kultusministerkonferenz bemüht sich zwar, viele Aufgaben und Kompetenzen sowie gemeinsame Standards im Bund sicherzustellen, dennoch sind die hier aufgeführten Anmerkungen zu schulpflichtigen, pflegenden Kindern und Jugendlichen nicht grundsätzlich auf das gesamte Bundesgebiet übertragbar. Die Hinweise beziehen sich auf das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen und die dortige Schulgesetzgebung.