Distance Caregiving – Was können Betroffene tun?

Die Zahl der Angehörigen, die sich vor Ort um die Pflege oder Betreuung ihrer Nächsten kümmern können, nimmt kontinuierlich ab. Die Entfernung zwischen den Wohnorten der Familien wird größer. Das heißt, immer seltener wohnen diejenigen, die Pflege und Unterstützung benötigen, direkt in der Nähe ihrer Familien.

Angehörige, die sich aus weiter Entfernung um eine pflegebedürftige Person kümmern, werden oftmals „Unterstützende auf Distanz“ oder im Englischen „Distance Caregiver“ genannt. „Entfernung“ bedeutet hier, dass die Pflegeperson und die*der Pflegebedürftige nicht in der gleichen Stadt, dem gleichen Bundesland, manchmal auch nicht im gleichen Land leben. Die räumliche Entfernung bedingt auch oft eine zeitliche. Wer nicht in der Nähe ist, kann nicht „mal eben schnell“ zur Stelle sein. Die Pflege auf Distanz konfrontiert die Betroffenen daher mit besonderen Anforderungen.

Wie kann Pflege auf Distanz hilfebedürftige Angehörige unterstützen?

Pflegende übernehmen die Verantwortung für die Unterstützung eines hilfebedürftigen Angehörigen aus der Ferne. Sie sind selbst jedoch in besonderer Weise auf die Zuverlässigkeit von Beteiligten im Umfeld der*des Pflegebedürftigen angewiesen. Sie sind nicht nur direkte Akteur*innen in der Pflege, sondern auch Vermittler*innen. Dafür braucht es die Möglichkeit, Vertrauen zu weiteren Beteiligten aufzubauen. Distance Caregiver brauchen Versorgungssettings, die funktionieren und darüber hinaus oft auch emotionale Unterstützung in Ihrer Rolle.

Oft übernehmen Pflegende auf Distanz folgende Aufgaben:

  • Organisation der Pflege und Betreuung,
  • Klärung von Medikamenten,
  • Informationen und Recherchen,
  • Behördengänge und Bankangelegenheiten,
  • regelmäßige Anrufe zur Kontrolle der Pflegesituation
  • emotionale Unterstützung
  • Gespräche und Absprachen mit anderen Helfenden vor Ort

Auf welche persönlichen Netzwerke kann ich tatsächlich zurückgreifen?

Pflegende auf Distanz brauchen für die Betreuung ihrer Angehörigen gute Netzwerke. Sie sind in besonderem Maße auf Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und gute Qualität von Unterstützungsangeboten angewiesen. Offenheit und Transparenz zwischen allen Beteiligten sind dabei die Voraussetzung für ein gutes Gelingen der Versorgung.

Betroffene ‚Distance Caregiver‘ sollten sich Gedanken machen, über welche Netzwerke sie tatsächlich verfügen und auf wessen Hilfe sie wirklich zurückgreifen können, um die Pflegesituation vor Ort dauerhaft funktional organisieren zu können. Dabei kann in der fachlichen Betrachtung der Pflegesituation in drei Unterstützungskategorien unterschieden werden: Da wäre einerseits das Primäre Netzwerk, bestehend aus Familien- und Haushaltsangehörigen und Freundinnen und Freunden; das sekundäre Netzwerk, dazu zählen professionelle Leistungserbringer und Dienstleistungsunternehmen und drittens, das technische Netzwerk. Letzteres umfasst die digitalen und technischen Hilfsmittel, die sowohl Pflegebedürftigen als auch pflegenden Angehörigen Hilfe und Unterstützung im Pflegealltag anbieten können.

Auch wenn sie nicht regelmäßig vor Ort sein können, um aktiv selber zu pflegen, können pflegende Angehörige aus der Distanz ein wichtiger Baustein in der Pflege und Versorgung ihres oder ihrer Angehörigen sein. Wer sich mit der Frage beschäftigen muss, wie sich die Pflege aus der Distanz aufrechterhalten lässt, sollte für sich die beschriebenen Netzwerke definieren und dabei von Beginn an groß denken und alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Stellen Sie zuerst eine Liste derjenigen Personen zusammen, die sich in Ihrem primären Netzwerk befinden und klären Sie, wen Sie wann und wie in die Pflege vor Ort einbinden können. Per Ausschlussverfahren verringert sich die Liste möglicherweise von alleine auf die für Sie belastbaren Familienmitglieder und Angehörigen. Pflegeberatung kann Betroffene und Ratsuchende dabei von Anfang an begleiten und unterstützen. Pläne und Listen in Schriftform schaffen für alle Beteiligten sichtbare Transparenz und helfen, die erforderliche Planungsarbeit zu strukturieren.

Pflegeberatung und professionelle Dienstleister

Spätestens beim Versuch der Klärung zu Fragen des sekundären Netzwerks sollten Sie den Rat und die Hilfe erfahrener Pflegeexpert*innen zu Rate ziehen. Auch hier bietet es sich an, gemeinsam die Nachbarn und den Bekanntenkreis zu sondieren, um diese möglicherweise in die Pflegesituation vor Ort mit einbeziehen zu können. Oft können diese sogenannten Nachbarschaftshelfer*innen einem pflegebedürftigen Menschen schon mit kleinen Unterstützungsleistungen eine große Hilfe sein, z.B., wenn sie den Wocheneinkauf übernehmen, kurze Botengänge machen, den Rasen mähen oder ähnliche Dinge tun. Dank der gesetzlichen Regelung zur „Nachbarschaftshilfe“ können Sie die Helfer*innen und Unterstützer*innen unter Umständen sogar geringfügig für ihre geleistete Arbeit entlohnen. Es lohnt sich also für Sie und Ihre*n pflegebedürftige*n Angehörige*n, sich entsprechend zu informieren und fachlich beraten zu lassen.

Darüber hinaus kann ein*e Pflegeberater*in dabei behilflich sein, die professionellen Versorgungstrukturen und deren Leistungen und Finanzierungen zu erörtern und Sie bei der Suche nach geeigneten Anbietern unterstützen. Eine Pflegeberatung zu Rate zu ziehen, hilft bei der Pflege auf Distanz in zweierlei Hinsicht: einerseits lotsen die Pflegeexpert*innen Sie durch die unterschiedlichen gesetzlichen Verordnungen, verstehen Versicherungsunterlagen und kennen sich mit Pflegeleistungen, Ansprüchen und Antragsformularen aus; andererseits sind Pflegeberater*innen aus der Region mit den Versorgungsstrukturen vor Ort vertraut und können individuell dabei helfen, passgenaue Angebote für die Pflegesituation zu finden. Dank der Möglichkeit der Pflegeberatung per Videogespräch können Pflegeberater*innen Pflegende auf Distanz in die Beratungsgespräche mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen zuschalten, ohne dass eine Anwesenheit vor Ort zwingend erforderlich ist.

Technische Hilfsmittel ergänzen das Angebot

Zu guter Letzt sollten pflegende Angehörige nicht die vielfältigen technischen Hilfsmittel außer Acht lassen, die sowohl den Alltag des*der Pflegebedürftigen erleichtern und absichern, sondern auch praktischen Nutzen für Pflegende aus der Distanz haben.

Der klassische Hausnotruf bietet die Sicherheit und das Wissen, dass im Notfall schnell Hilfe gerufen werden kann. Mittlerweile gibt es Notrufsysteme, die sowohl für zuhause als auch für unterwegs eingesetzt werden können. Eine Schlüsselbox am Haus erlaubt im Notfall auch den schnellen Zugang des Notarztes. Ein mobiles Notrufsystem kann, wie ein Handy auch als Ortungsgerät genutzt werden.

Überhaupt bietet die Ausstattung der Wohnung des Pflegebedürftigen mit spezieller Technik heutzutage viele Möglichkeiten für eine Unterstützung aus der Ferne, ebenso die Steuerung von Geräten im Wohnumfeld per App durch pflegende Angehörige.

Um das Leben in den eigenen vier Wänden für Pflegebedürftige zu unterstützen, helfen die Wohnberatungsstellen der Kommunen und Kassen bei Anpassungen. Sie informieren auch zur Beantragung von Zuschüssen, helfen bei der Klärung mit Vermietern, vermitteln geeignete Handwerker und kontrollieren die Umsetzung der Maßnahmen in der Wohnung.

Die Kommunikation per Tablet, Smartphone und App ermöglicht die Abstimmung mit dem Pflegedienst vor Ort oder weiteren Unterstützern in der Nähe der*des Pflegebedürftigen.

Unterstützung für Pflegende durch Arbeitgeber

Im Rahmen familienfreundlicher Arbeitsbedingungen ist Pflegeverantwortung heute für immer mehr Arbeitgeber ein Thema. Unternehmen führen zunehmend Angebote ein, die pflegende Angehörige im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit unterstützen und bieten aktiv Informationen und Beratung zum Thema Pflege an.

Flexible Arbeitszeiten und Telearbeit sind ein wichtiger Schritt für betroffene Mitarbeitende. Auch die flexible Planung von Urlaubszeiten und kurze Wegstrecken können sehr hilfreich sein.