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Beratung hilft berufstätigen Pflegenden

Wenn eine nahestehende Person pflegebedürftig wird, ist das oft eine große Herausforderung für das Umfeld. Pflege und Berufstätigkeit zu verbinden, ist oft erstmal nicht leicht. Was tut man, wenn Eltern, Partner*innen oder sogar das eigene Kind plötzlich pflegebedürftig werden? Johanna Büge, Pflegeberaterin bei compass, beschreibt, was für pflegende Angehörige wichtig ist.

Johanna Büge ist Pflegeberaterin und kennt sich gut mit Leistungen für Pflegende aus.

Bei Pflege denkt man in der Regel an körperliche Hilfe. In welcher Weise umfasst der Begriff auch organisatorische Tätigkeiten?

Gerade wenn pflegende Personen noch im Berufsleben stehen, sind sie anfangs oft überfordert und wissen nicht, wie sie Job und Pflege gleichzeitig stemmen sollen. Vielen ist bei einer beginnenden Pflegesituation noch gar nicht bewusst, welche Aufgaben alle dahinterstecken. Das Bewusstsein kommt dann erst mit der Zeit. Pflege betrifft nicht nur die körperliche und psychische Unterstützung, sondern hinter dem Begriff stecken auch viele administrative Aufgaben. Bei vielen Ratsuchenden merke ich, dass gerade solche Aufgaben leiden, die früher vielleicht geteilt oder durch dritte Personen durchgeführt wurden. Das können einfache Dinge, wie das Zahlen von Rechnungen oder die Gartenarbeit sein, die erstmal liegen bleiben, weil sie keine Priorität haben. Eine Pflegeberatung kann durch den gemeinsamen Blick von außen auf die Situation gut dabei unterstützen, den Alltag neu zu organisieren.

Mit welchen Anliegen oder Problemen wenden sich berufstätige Pflegende am häufigsten an Sie?

Die häufigste Frage, die mir als Pflegeberaterin gestellt wird, ist ganz klar: Was für Entlastungsmöglichkeiten gibt es für mich als berufstätige pflegende Person? Das ist aber auch die häufigste Frage, die nicht-berufstätige Pflegende stellen. Damit verbunden gilt es herauszufinden, welche externe Hilfe die pflegebedürftige Person zulässt, damit die pflegenden, nahen Angehörigen entlastet werden können.  

Wenn ein Elternteil durch Pflegebedürftigkeit ausfällt und alles auf dem anderen Elternteil lastet, geht es – gerade bei berufstätigen Eltern - immer häufiger darum, welche Möglichkeiten der zusätzlichen Kinderbetreuung es gibt. Natürlich ist es in der Regel so, dass die Pflegeperson gerade bei der Versorgung der Kinder viel kompensiert, indem sie Aufgaben übernimmt, die vorher verteilt waren. Dennoch kann man bei Dingen wie beispielsweise dem Abholen aus der Schule oder dem Kindergarten schauen, wo man Hilfe aus dem direkten Umfeld in Anspruch nehmen kann oder wo man externe Unterstützung findet.

Welche Möglichkeiten, eine Auszeit vom Job zu nehmen, gibt es für Berufstätige, wenn ein*e Angehörige*r plötzlich pflegebedürftig wird oder pflegebedürftig ist?

Wird ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig oder die Situation ändert sich, dann kann man für 10 Tage Pflegeunterstützungsgeld beziehen, um alles neu zu organisieren.

Außerdem gibt es noch die Pflegezeit, für längere Zeiträume. Von dieser nehmen viele aus finanziellen Gründen Abstand. Die Pflegezeit ist aber eine gute Möglichkeit, sich selbst intensiver um die pflegebedürftige Person zu kümmern. Als Unterstützung gibt es sogar zinslose Darlehen vom Staat.

Viele reduzieren die Arbeitszeit erstmal stundenweise und gehen mit ihrem Arbeitgeber in Gespräche über Homeoffice oder flexiblere Arbeitszeiten.

Angestellte haben unter bestimmten Bedingungen auch die Möglichkeit, die Familienpflegezeit in Anspruch zu nehmen. Damit kann man die Arbeitszeit für 24 Monate auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren.

Wenn ein Kind pflegebedürftig ist, sind Eltern ja in der Regel noch in einem Alter, in dem sie berufstätig sind. Gibt es bei Familien mit einem pflegebedürftigen Kind besondere Regelungen, um Beruf und Pflege kombinieren zu können?

Ich erlebe sehr oft, dass bei pflegebedürftigen Kindern ein Elternteil reduziert arbeitet, um unter anderem therapeutische Maßnahmen wahrnehmen zu können. Gemeinsam können wir dann schauen, was beispielsweise durch Kindergärten therapeutisch abgedeckt werden kann, denn das ist regional sehr unterschiedlich. Um die Eltern zu entlasten wird auch hier geschaut, ob Großeltern, Geschwister der Eltern oder ein Babysitter eingebunden werden können. Seitens der Pflegeversicherung haben Eltern von pflegebedürftigen Kindern die gleichen Entlastungsansprüche wie alle pflegenden Angehörigen. Im Rahmen der Familienpflegezeit haben alle Pflegende einen Anspruch darauf, Ihre Wochenarbeitszeit bis zu 24 Monate lang auf bis zu 15 Stunden zu reduzieren, um die pflegebedürftige Person in häuslicher Umgebung zu versorgen. Ist die pflegebedürftige Person allerdings ein Kind, gilt diese Möglichkeit der Reduzierung sogar, wenn das Kind nicht zu Hause sondern zum Beispiel in einer Spezialklinik oder einem Hospiz betreut wird.

Berufstätigkeit bedingt oft auch, dass die pflegebedürftige Person und ihre Angehörigen räumlich weit entfernt voneinander wohnen. Wie können Sie bei der Organisation der Pflege auf Distanz helfen?

Eine räumliche Distanz von Angehörigen zu ihren pflegebedürftigen Familienmitgliedern gibt es sehr häufig. Vereinzelt gibt es den Wunsch der pflegebedürftigen Person in die Nähe der Angehörigen zu ziehen. Da arbeiten bei compass die Pflegeberater aus der Heimat der pflegebedürftigen Person und aus der Region wo sie hinziehen will, dann eng zusammen, denn jeder Pflegeberater ist in seiner Region sehr gut vernetzt.  In meinen Beratungen ist es aber häufiger der Fall, dass die pflegebedürftige Person ein gutes Netzwerk vor Ort hat und sie in dem gewohnten Umfeld bleibt. In solchen Fällen arbeiten ebenfalls zwei Pflegeberater eng zusammen: Der, der den Angehörigen betreut und der, der den Pflegebedürftigen betreut.

Um Abrechnungen und Korrespondenzen mit den Versicherungen auch aus der Ferne regeln zu können, ist es besonders wichtig, dass alle Vollmachten vorliegen. Wir unterstützen die Ratsuchenden darin und helfen, die pflegerische Versorgung vor Ort zu organisieren.

Welchen Rat haben Sie für pflegende Angehörige, die berufstätig sind?

Ich empfehle immer, sich frühzeitig beispielsweise durch eine Pflegeberatung zu informieren und sich selbst nicht zu vergessen. Das ist die beste Prävention, um die Pflege langfristig leisten zu können. Pflegende Angehörige dürfen Grenzen setzen und müssen sich Pausen sowie Auszeiten gönnen. Wenn diese gut organisiert sind, bedeutet dies ja nicht, dass die pflegebedürftigen Personen unterversorgt sind.

Drei Tipps für pflegende Angehörige

  • Nehmen Sie Pflegeberatung in Anspruch.
  • Kümmern Sie sich darum die nötigen Vollmachten für die pflegebedürftige Person zu haben.
  • Achten Sie auf sich und nehmen Sie Entlastungsangebote in Anspruch.