Pflegende Angehörige, die von ihren zu pflegenden und zu versorgenden Angehörigen räumlich getrennt sind, stehen vor besonderen Herausforderungen. Aus der Ferne ist es häufig schwieriger zu erkennen, welche Hilfe konkret benötigt wird. Auch ist kurzfristige Unterstützung im Notfall schwieriger sicherzustellen. Mit welchen Herausforderungen sie persönlich zu tun hat, erzählt Andrea Grebe im Interview.
Ihre Eltern wohnen eineinhalb Stunden von Ihnen entfernt. Ihre Mutter ist pflegebedürftig. Wie sieht die Pflegesituation in Ihrer Familie gerade aus?
Andrea Grebe: Mein Vater (88) sagt: „Am besten kommen wir klar, wenn wir beide allein sind.“ Wir sagen: „Wir können Dir Unterstützung organisieren. Wir können Dir empfehlen, dass Du mal in Kur gehst. Es gibt auch Kuren mit dem pflegebedürftigen Angehörigen zusammen.“ Dann sagt er: „Da sind wir dann raus und es ist wieder was anders. Dann ist alles viel schwieriger.“ Deshalb ist da immer noch wenig organisiert. Meine Mutter verweigert es, irgendetwas vorzuplanen. Vor Jahren haben wir sie dazu bewegt, eine Vorsorgevollmacht zu schreiben, und die Patientenverfügung. Das ist Gott sei Dank passiert. Sie ist 83 und hat Demenz, momentan mit Pflegegrad 2. Wir hofften, dass sie dadurch mehr Leistungen in Anspruch nimmt, vielleicht mal in die Tagespflege gehen würde. Aber leider weisen meine Eltern das alles weit von sich. Meine Mutter sagt: „Es geht ja noch. Wenn’s mal nicht mehr geht, dann gucken wir weiter.“ Jetzt ist es so, dass mein Vater das Hirn ist und sie am Laufen hält. Es fällt ihm auch alles immer schwerer. Alle zwei Wochen kommt jemand und schaut nach dem Rechten. Das hat meine Mutter nicht gern. Dazwischen wechseln meine Schwester und ich uns am Wochenende ab, damit nicht zu lange Zeit vergeht und damit jemand mal reinschaut. Mein Bruder ist noch weiter weg und hat kleinere Kinder und ist dadurch nicht so mobil. Er macht die ganzen Büroangelegenheiten.
Können Sie mit Ihrer Mutter und Ihrer Familie offen über Ihre Einschränkungen sprechen?
Andrea Grebe: Meine Mutter sieht nicht ein, dass sie sich nicht mehr organisieren kann. Sie hat immer bestimmt, wo es langging, war sehr autonom. Jetzt Verantwortung gegen ihren Willen für sie zu übernehmen, fällt mir sehr schwer. Jetzt abzugeben fällt ihr schwer. Der Verlauf der Erkrankung geht zum Glück langsam voran. Vor vier, fünf Jahren wurde die Diagnose gestellt. Die Stabilität im Alltag mit meinem Vater hilft ihr sehr mit der Krankheit umzugehen.
Wie wünschen Sie sich die Unterstützung für Ihre Mutter?
Andrea Grebe: Mit meinen Geschwistern haben wir unsere Unterstützung schon seit Jahren aufgeteilt. Ich brauche eineinhalb Stunden für eine Fahrt mit dem Auto zu meinen Eltern. Meine Schwester jedoch noch länger. Mein Bruder wohnt 500 km weit weg. Wenn ich dann nicht gefordert bin, nehme ich mir auch gedanklich eine Auszeit von der Situation. Was passiert, wenn eine plötzliche Veränderung durch Sturz oder Krankheit eintritt? Das ist immer im Hinterkopf. Unsere Idee wäre, dass dann ein Pflegeplatz in der Nähe von meiner Schwester gesucht wird. Das wäre räumlich am praktischsten für alle. Mein Vater beschäftigt sich mit dem Gedanken: Bei den Eltern im Ort wird jetzt ein Betreutes Wohnen geplant. Eine ausländische Haushalts- und Betreuungskraft wäre noch eine Idee, aber von meinen Eltern nicht gewünscht.
Welche Unterstützung können Sie konkret bei Ihren Eltern zu Hause anbieten?
Andrea Grebe: Mein Vater ist da reingewachsen. Am Anfang hat er damit gehadert, sich seinen Lebensabend anders vorgestellt. Fensterputzen macht meine Schwester, ich mache rund ums Haus viel. Eigentlich ist das eine Unterstützung, die man finanzieren könnte. Aber andererseits ist es die einzige Unterstützung, die sie von den Kindern so annehmen können. Vieles, was nicht mehr geht, verschweigen sie ja auch. Auch untereinander. Ich hoffe, dass es lange so weiterläuft. Irgendwann kippt es, dann muss was passieren. Jetzt planen wir, können aber noch nicht handeln. Aber wenn es dann auf den Punkt funktionieren muss, wird es schwieriger sein.
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