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Wie unterstützen Kinderhospizvereine?

"Ich habe von den Kindern sehr viele lebensbejahende Dinge für mein eigenes Leben gelernt" - Interview mit Michelle Bäcker, Koordinatorin des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst (AKHD) Köln.

Michelle Bäcker: "Freude über Kleinigkeiten und Trauer über Verlust liegen nahe beieinander."

Frau Bäcker, können Sie sich und den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst in Köln kurz vorstellen?

Ich heiße Michelle Bäcker und bin seit dem 01.01.2019 als Koordinatorin beim ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst in Köln tätig. Vorher war ich schon als Ehrenamtliche rund sieben Jahre in der Familienbegleitung unterwegs. Der Träger des AKHD Köln ist der Deutsche Kinderhospizverein e.V.

Als hauptamtliche Koordinatorin habe ich den Erstkontakt zu den Familien, die sich an uns wenden und schaue dann als Ansprechpartnerin, wo der konkrete, individuelle Unterstützungsbedarf liegt. Außerdem akquiriere ich ehrenamtliche Mitarbeiter und bilde sie mit meinen Kollegen auch aus. Für die Begleitung der Familien müssen unsere Ehrenamtler einen 90-stündigen, qualifizierenden Vorbereitungskurs absolvieren.

Dazu kümmere ich mich um unsere Öffentlichkeitsarbeit, um unser Thema und die Arbeit des AKHD Köln einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Natürlich ist es auch wichtig, sich in der Öffentlichkeit mit Betroffenen zu solidarisieren, um Themen zu setzen und auf Bedürfnisse aufmerksam zu machen.

Wie viele ehrenamtlich Engagierte unterstützen den AKHD Köln und wie finanzieren Sie sich?

Wir haben momentan ca. 130 Ehrenamtliche, die uns regelmäßig unterstützen und wir begleiten etwa 80 Familien im Kölner Stadtgebiet. Wir haben drei Standorte hier in Köln und begleiten Familien auch bis nach Leverkusen. Für den Kölner Norden und die Mitte ist unsere Zweigstelle in Köln-Nippes zuständig. Unser Standort in Raderthal versorgt den Kölner Südwesten und in Holweide gibt es einen Standort für die rechtsrheinische Seite. Wir wollen möglichst nah bei den Familien und Ehrenamtlichen sein und die Wege kurz halten.

Die Koordinierungsstelle wird gemäß § 39a SGB V von den Krankenkassen refinanziert und ansonsten sind wir natürlich sehr auf Spenden angewiesen.

Wie lautet Ihr Vorschlag zum sprachlichen Umgang mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen und ihren Familien?

Wir sagen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit einer lebensverkürzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung, wir reden nicht von sterbenden Kindern oder todkranken Jugendlichen, weil wir möchten, dass das Leben im Vordergrund steht. Wir verstehen uns in diesem Sinne auch als Lebensbegleiter.

Welche Aufgaben übernimmt der Kinder- und Jugendhospizdienst Köln für Ratsuchende und Betroffene?

In erster Linie sehen wir die Familien als Experten in eigener Sache, d.h. sie sagen uns, wo sie konkreten Unterstützungsbedarf haben. Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter begleiten die Familien dann. Das kann Unterstützung für das Kind mit der lebensbedrohlichen Erkrankung sein, damit die Eltern auch ausreichend Zeit mit den Geschwistern verbringen können oder auch mal Zeit für sich haben.

Wir begleiten aber auch die gesunden Geschwister, wenn die Familien das wünschen, damit diese z.B. zum Sport gehen können oder vom Kindergarten abgeholt werden oder dergleichen. Und wir sind natürlich Ansprechpartner für die Familien selbst, einfach damit sie jemanden zum Reden haben und wir so psychosoziale Entlastung geben können.

Darüber hinaus schaffen wir Begegnungsangebote für die Familien. Hier in Köln findet einmal im Monat ein Elternfrühstück statt, damit betroffene Eltern sich untereinander kennen lernen und austauschen können. Diese Eltern haben immer Informationen, die wir nicht haben und die verbreiten sich so am besten. Außerdem ist es wichtig für Familien, auf andere Familien in derselben Situation zu treffen, um sich nicht immer erklären zu müssen.

Viele andere Begegnungsangebote schafft auch der Deutsche Kinderhospizverein e.V. in ganz Deutschland und auch daran nehmen wir und Familien aus Köln natürlich teil.

Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen aktiver Betreuung und seelsorgerischen Aspekten in der Begleitung ein?

Das hält sich die Waage, da die Bedürfnisse sehr individuell und daher auch sehr unterschiedlich sind. Es ist vor allen Dingen wichtig, dass wir da sind und auch dableiben, damit die Eltern in Krisensituationen auf einen verlässlichen Partner wie uns vertrauen können. Das kann im Einzelfall bedeuten, dass Familien jemanden brauchen, mit dem man auch mal albern sein kann oder der in ernsten Situationen ein vertrauter und wichtiger Ansprechpartner ist. Wir unterstützen und begleiten die Familien in schweren, aber auch in schönen Zeiten. Dabei steht das gesamte Familiensystem im Fokus, auch die Begleitung und Unterstützung von Geschwisterkindern.

Wieviel Zeit können Sie und Ihre Kolleg*innen für Familien im Schnitt in der Begleitung aufbringen?

Die meisten Familien wünschen sich im Durchschnitt eine Begleitung für ca. 2-3 Stunden in der Woche und das können wir auch leisten. Wir, die Koordinierungsstelle und die Ehrenamtlichen, sind aber natürlich auch in Ausnahmesituationen da und erreichbar und versuchen, bestmöglich zu unterstützen.

Gibt es Grenzen?

Wir sind kein Pflegedienst und wir können keine therapeutischen Maßnahmen übernehmen. Wenn die Eltern dazu Gesprächsbedarf haben, dann können sie sich gern an uns wenden und wir versuchen zu vermitteln oder zu helfen, aber mehr nicht. Wir geben auch keine Nachhilfeangebote für den schulischen Bereich.

Wie stelle ich Kontakt zum AKHD her? Wie machen Sie auf sich aufmerksam?

Das ist sehr unterschiedlich. Oft stellt sich der Kontakt über Familien her, die wir schon begleiten oder begleitet haben. Eltern kennen sich und vernetzen sich untereinander sehr schnell. Der Kontakt wird aber auch über Förderschulen oder die Nephrologie der Uniklinik hier in Köln hergestellt. Dann gibt es noch den ‚Bunten Kreis‘, ein sozialmedizinischer Nachsorgedienst, mit dem wir in gutem Kontakt stehen. Außerdem liegen unsere Flyer in vielen Kinderarztpraxen aus. Darüber hinaus machen wir natürlich auch sehr viel Öffentlichkeitsarbeit, um auf uns aufmerksam zu machen.

Können Sie Ihre Netzwerkarbeit beschreiben?

Es gibt in Köln verschiedene Netzwerktreffen, an denen wir teilnehmen. Wir versuchen auch über die Jugendämter unser eigenes Netzwerk zu erweitern. Natürlich arbeiten wir auch mit den Kinder- und Jugendpflegediensten Fips e.V., einem Kinder- und Jugendpflegedienst, und mit ‚wir für pänz‘ e.V., einem Beratungsdienst für chronisch kranke Kinder und Jugendliche, hier in Köln zusammen.

Sind Betroffene Ihrer Erfahrung nach gut darüber informiert, welche Mittel sie aus der Pflegeversicherung erhalten können?

Wir können Betroffenen tatsächlich eine palliativpflegerische Beratung anbieten und im Rahmen dessen auch erläutern. Die Eltern sind aber untereinander meist sehr gut vernetzt und machen sich auch auf die verschiedenen Möglichkeiten aufmerksam. Über unser Elternfrühstück zum Beispiel passiert da viel, da tauscht man sich auch über pflegerische Entlastungsmöglichkeiten aus. Über die Lebenshilfe e.V. Köln zum Beispiel kommen viele gute Tipps.

Natürlich sollte auch das ‚Zentrum für selbstbestimmtes Leben‘ in Köln hier erwähnt werden. Ich denke daher schon, dass die meisten ganz gut informiert sind. Wenn uns die Familien danach fragen, dann würden auch wir schauen, wie wir Ihnen bei der Informationsbeschaffung helfen. Familien müssen allerdings proaktiv auf uns zu kommen und dann vermitteln wir auch gerne Telefonnummern und Adressen.

Was wünschen Sie sich für die zukünftige Arbeit?

Wir freuen uns natürlich immer über mehr ehrenamtlichen Zuspruch. Wer sich bei uns engagieren möchte, ist herzlich Willkommen, davon leben wir. Für die aktive Unterstützung braucht es keine Erfahrung. Bei uns engagieren sich viele unterschiedliche Berufsgruppen. Durch den qualifizierenden Vorbereitungskurs werden alle ehrenamtlichen Begleiter auf den nötigen Kenntnisstand gebracht und von uns behutsam auf die Tätigkeit als Begleiter vorbereitet. Darüber hinaus bieten wir einmal im Monat Praxisbegleitungen für unsere Ehrenamtlichen an. Viermal im Jahr besucht uns ein Supervisor und schult die Begleiter und natürlich stehen wir allen Interessierten immer mit Auskunft und Rat zur Verfügung.

Vielen Dank für das Gespräch.

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